Gestaltungsregeln nutzen: Motive gekonnt inszenieren
Gute Bilder liegen buchstäblich auf der Straße. Man muss sie nur sehen! Wer beim Fotografieren beginnt, grundlegende Gestaltungsregeln zu nutzen, kann seine Motive gekonnt inszenieren.
Fotografieren hat relativ wenig mit Talent zu tun. Klar, eine gewisse Begabung ist natürlich hilfreich. Koryphäen, egal welchen Faches, werden aber bestätigen: Herausragende Leistungen haben vor allem Beharrlichkeit und harter Arbeit zu tun. Kurzum: Gelungene Aufnahmen sind kein Zufall. Sie folgen immer einem gestalterischen Konzept. Bedeutet in der Praxis: Man kann einfach draufhalten. Oder aber, was viel mehr bringt: Gestaltungsregeln bewusst einsetzen und systematisch zu Werke gehen.
Erst, wer das tut, hört auf zu knipsen und beginnt wirklich zu fotografieren! Systematisch bedeutet: Ein gutes Motiv suchen und erkennen und anschließend überlegen, wie es sich am besten in Szene setzen lässt. Es geht also um die Auseinandersetzung mit den Gestaltungselementen eines Bildes BEVOR man auf den Auslöser drückt.
Zugegeben: Manchmal gelingt eine gute Komposition auch beim Knipsen. Allerdings ist das dann leider nur ein Zufallsprodukt. Wer hingegen das fotografische 1×1 auf dem Kasten hat, entwickelt einen eigenen Style, kann mit Elementen spielen oder Regeln gekonnt brechen. Was ambitionierte Fotografen beherrschen sollten – nachfolgende Liste gibt einen Überblick.
Bei näherer Betrachtung finden wir in jedem Foto eine Kombination an gestalterischen Komponenten. Also zum Beispiel Linien und dadurch erzeugte Fluchten, Kontraste, Muster, Spiegelungen, Symmetrien, Rahmen etc. Vielleicht entspricht das Bild sogar den Regeln des Goldenen Schnitts. All diese Elemente leiten den Blick des Betrachters und beeinflussen die Wirkung und auch die Aussagekraft eines Motivs.
Das Bildformat ist ein ganz entscheidendes Gestaltungselement. Es unterstreicht die Wirkung eines Motives: Das Hochformat erzeugt Dynamik, ein Querformat bringt Ruhe in die Komposition. Das klassische Kameraformat entspricht einem Seitenverhältnis von 4:3. Daneben gibt es aber auch noch andere: beispielsweise das Panoramaformat 16:9 (eignet sich besonders gut für weitläufige Landschaften und horizontale Linien) oder das quadratische 1:1 Format (erzeugt ein besonders modernes Look & Feel). Bei der Aufnahme ist aber zunächst nur die Wahl von Hoch- oder Querformat wichtig. Das konkrete Seitenverhältnis lässt sich am besten im Nachgang am Computer festlegen.
Hat man sich für ein Format entschieden, geht es an die Auswahl des Bildausschnitts. Bezüglich der Bildwirkung kann man grundsätzlich sagen: Nähe erzeugt Emotionen (zum Beispiel bei einem Portrait) – der Hintergrund wird ausgeblendet, das Bild fokussiert alleine auf das Motiv. Weitwinklige Bilder hingegen gehen auf Distanz. Dafür setzen sie das zu fotografierende Objekt in einen Kontext zu seiner Umgebung. Bildausschnitte lassen sich über zwei Wege variieren: Durch eine Veränderung der Brennweite des Objektivs. Oder aber durch das Variieren der Entfernung zwischen Kamera und Motiv.
Auch der Blickwinkel beeinflusst die Bildwirkung. Er lässt sich durch Bewegung spielerisch verändern (zum Beispiel in die Knie gehen, auf den Bauch legen, auf eine Mauer klettern etc.). Eine tiefe Perspektive (Froschperspektive) verleiht Dynamik. Sie lässt Objekte größer erscheinen. Draufsichten (Vogelperspektive) bewirken genau das Gegenteil: Sie machen Objekte klein, dafür geben sie einen guten Überblick. Die sogenannte Zentralperspektive ist uns am vertrautesten. Sie entspricht unserem gewöhnlichen Blick auf die Welt. Sie gibt das Motiv unverzerrt und in gewohnter Optik wieder. Genau deshalb wirkt sie aber auch oftmals sehr langweilig.
Linien, vor allem, wenn Sie auf einen Fluchtpunkt zulaufen, verleihen einem Foto eine räumlicher Tiefe. Sie erzeugen sozusagen einen 3D Effekt in einem zweidimensionalen Bild. Für vertikale Linien eignet sich ein Hochformat. Horizontale Linien lassen sich am besten in einem Querformat einfangen. Gleiches gilt auch für ähnliche Formationen, wie Staffelungen, Überlappungen oder Kurven. Verlaufen vertikale Linien nicht parallel zu den Bildrändern, spricht man im Fachjargon übrigens von stürzenden Linien. Die kennt jeder, der schon mal versucht hat, ein Gebäude zu fotografieren.
Symmetrien empfinden wir als besonders harmonisch. Auch deshalb, weil die Natur ein wahrer Meister darin ist. Durch unseren Alltag sind sie uns sehr vertraut – man denke etwa an Gesichter, Blumen, Gebäude, Fahrzeuge etc. Ganz anders sieht es mit Flächen aus. Sie haben in unserer Wahrnehmung eine Signalwirkung. Rechtecke, Kreise, Rauten oder Quadrate empfinden wir als besonders dominant. Wir kennen diese Formen zum Beispiel von Straßenschildern. Sie wirken auf uns als eine Art Eyecatcher, weil wir wissen, dass sie eine Bedeutung haben.
Kontraste bilden die Seele eines Bildes. Sie erzeugen große Emotion. Gegensätze können in den verschiedensten Paarungen zum Ausdruck kommen: groß & klein, dick & dünn, alt & jung, eckig & rund etc. Auch Licht erzeugt Kontraste. Zum einen durch seine Intensität (hell / dunkel), zum anderen durch seine Temperatur (warm /kalt). Komplementärfarben (jene Farben, die sich in Farbkreis gegenüber liegen) bilden ebenfalls einen Gegensatz: zum Beispiel Blau & Gelb oder Rot & Grün. Besonders mit Farbkontrasten lässt sich beim Fotografieren sehr gut spielen. Wer die Farbtypenlehre drauf hat und mit Komplenentärfarben arbeitet, erzeugt in seinem Bild eine besondere Harmonie.
Der Goldene Schnitt gilt als Mutter aller Gestaltungsregeln. Bereits die alten Ägypter arbeiteten damit. Er begegnet uns in vielen Bereichen des Alltags. Oftmals nehmen wir ihn jedoch nicht bewusst wahr. Im Kern geht es um die Erzeugung harmonischer Asymmetrien. Also um in Harmonie zueinander platzierte Proportionen innerhalb des Bildaufbaus. Dabei verhält sich der kleinere Bildteil zum größeren, wie der größere zum Gesamtbild. Eine etwas praktikablere Abwandlung des Goldenen Schnitts bildet die sogenannte Drittel-Regel. Zu ihrer Anwendung ist ein Linienraster aus zwei horizontalen und zwei vertikalen Linien hilfreich, das das Bild in neun gleiche Teile teilt. Die Drittel-Regel besagt: Um eine besondere Harmonie in einer Aufnahme zu erzeugen, werden die wichtigen Bildelemente nicht mittig, sondern auf einer der Drittellinien beziehungsweise auf einem der vier Kreuzungspunkte platziert.
Bei der Betrachtung eines Bildes teilt unser Gehirn das Gesehene automatisch in Vorder- und Hintergrund. Den unteren Bildabschnitt nehmen wir als Vordergrund wahr, den oberen als Hintergrund. Für eine gute Bildaufteilung kommt auch hier der Goldene Schnitt beziehungsweise die Drittel-Regel ins Spiel. Bei einer Landschaftsaufnahme zum Beispiel bildet die Horizontlinie den Hintergrund. Dieser wirkt besonders harmonisch, wenn er auf der oberen horizontalen Linie des Drittelrasters verläuft. Auch das Vordergrundelement lässt sich gut in Szene setzen, wenn es – je nach Motiv – entweder auf der unteren Linie oder einem der unteren Rasterpunkte liegt. Für ein harmonisches Zusammenspiel von Vorder- und Hintergrund auf den Rasterpunkten sollten die Bildelemente diagonal zueinander liegen.
Übung macht den Meister. So ist’s auch in der Fotografie. So abgedroschen wie die Phrase klingt, so viel Wahrheit steckt auch darin. Übung bedeutet Routine, beim Fotografieren mitunter einen geschulten Blick. Erst wer diese Gestaltungsregeln im Schlaf beherrscht, sollte sich mit dem Thema Belichtung auseinander setzen. Noch eine Empfehlung an diese Stelle: Wer auch am Anfang Erfolgserlebnisse haben will, sollte mit leichten Genres beginnen. Dazu zählen zum Beispiel Motive aus Bereichen wie Landschaft-, Architektur- oder auch Streetfotografie.
Bewegte Objekte zu fotografieren, ist gar nicht so leicht. Kurze Verschlusszeiten bei der Belichtung vermeiden unschöne Bewegungsunschärfen in der Aufnahme und frieren die kraftvolle Dynamik einer Bewegung ein.
Die Weite des Grand Canyon, die futuristische Skyline von Shanghai oder der leuchtende Felsen des Ayers Rock: Mit Serienbildern lassen sich Motive „in Übergröße“ zu beeindruckenden Panoramen zusammensetzen.
Der richtige Einsteig in die Fotografie wird leider oft auf technischer Ebene diskutiert. Dabei braucht es gerade am Anfang keine Hightech-Kamera. Das Erlernen fotografischer Basics ist mit jeder 0815-Knipse oder auch einem Smartphone möglich.